Bei Wechsel zu Teilzeit kein Verlust von Urlaubsansprüchen

LAG Niedersachsen: Bei einem Wechsel von Vollzeit zu Teilzeit verlieren Beschäftigte keine während der Vollzeittätigkeit erworbenen Urlaubsansprüche.

Sachverhalt

Die klagende Arbeitnehmerin war zunächst in Vollzeit (Fünf-Tage-Woche) beim Beklagten beschäftigt. Während der Vollzeitbeschäftigung konnte sie im Jahre 2010 aufgrund eines schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbotes und des Mutterschutzes 22 Urlaubstage nicht in Anspruch nehmen. Ab Dezember 2011 nahm sie ihre Tätigkeit in Teilzeit (Drei-Tage-Woche) wieder auf. Der Beantragung ihres Resturlaubs von insgesamt 29 Tagen trat der Beklagte dahingehend entgegen, dass ein während der Vollzeitbeschäftigung erworbener, aber noch nicht genommener Anspruch auf Urlaub aufgrund der Arbeitszeitverringerung entsprechend dem Verhältnis der neuen zur alten Zahl der Arbeitstage zu kürzen sei. Der in den Jahren 2010 und 2011 entstandene Urlaubsanspruch von 29 Tagen sei daher auf einen verbleibenden Urlaubsanspruch von 17 Tagen zu kürzen. Dagegen wehrte sich die Klägerin mit Klageerhebung beim Arbeitsgericht Nienburg.

Entscheidung

Bereits das Arbeitsgericht Nienburg vertrat die Auffassung, die vom Beklagten angewandte Umrechnungsmethode verstoße gegen das Europarecht. Es setzte das Verfahren aus und legte dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vor, ob er eine derartige Umrechnung des erworbenen Urlaubsanspruchs auf das neue Beschäftigungsausmaß für zulässig erachtet oder ob sie § 4 der Teilzeitrichtlinie widerspricht. Die zu Gunsten der Arbeitnehmerin ausgefallene Entscheidung des EuGH hob den Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts der Union hervor.

Konsequent führte das Arbeitsgericht Nienburg in seiner Entscheidung gegen die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus, dass ein Wechsel der Beschäftigungsart (von Vollzeit in Teilzeit) und der damit verbundenen Änderung der Arbeitszeitverteilung auf weniger Arbeitstage pro Kalenderwoche nicht dazu führe, dass sich der Umfang des zuvor während der Vollzeitbeschäftigung erworbenen Urlaubsanspruchs reduziert. Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte erfolglos Berufung ein. Das Landarbeitsgericht Niedersachsen wies die Berufung zurück und stütze sich dabei auf die Entscheidungsgründe der I. Instanz. Eine Quotierung des erworbenen Urlaubs sei eine unzulässige Benachteiligung i.S.v. § 4 der Rahmenvereinbarung über Teilzeit vom 6. Juni 1997 und i.S.v. § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Darüber hinaus stellte es heraus, dass bei der Frage des Urlaubsanspruchs nicht zwischen dem noch nicht verbrauchten anteiligen Mindesturlaub und dem darüber hinausgehenden tariflichen Mehrurlaub zu unterscheiden ist.

(LAG Niedersachsen, Urteil vom 11.06.2014 – 2 Sa 125/14)

Praxistipp für Arbeitgeber

Zwar steht aufgrund der zugelassenen Revision durch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen die abschließende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) noch aus. Jedoch ist die Rechtsfrage dem Grunde nach bereits durch den EuGH umfassend geklärt worden. Folgerichtig wird sich das BAG dem EuGH anschließen müssen. Wir empfehlen daher, von der Kürzung des Urlaubsanspruchs wegen Reduzierung der Arbeitszeit abzusehen und bereits jetzt die Urlaubsanträge auf Basis der erworbenen Ansprüche zu berechnen.

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